DAS GEHEIMNIS DES PERFEKTEN LEBENS

Wenn ein Leben perfekt ist, dann meint man damit häufig den (inneren) Zwang zur Selbstoptimierung.
Dabei versprüht doch das „Unperfekte“ und Unvollkommene mehr Charme und Anziehungskraft als das Makellose.

Diese Woche hat die ZEIT eine Serie zum Thema „Perfektes Leben“ aufgenommen und hat, wie ich finde, aus unterschiedlichen Perspektiven gezeigt, was denn das optimierte, das beinahe perfekte Leben an Nebenwirkungen und auch Chancen haben kann.

Ich bin nicht die einzige, die sich schon seit und insbesondere vermutlich während der Schulzeit Druck gemacht hat, die pflichtbewusst ist und sich immer und ständig verantwortlich fühlt. Die diese Verantwortung, so schön und erfüllend sie sein mag, zuweilen zu ernst nimmt und zu streng durchsetzt. Doch es ist kompliziert, das eigene Leben zu formen und formen zu wollen, ohne das Gefühl, man wird den eigenen Erwartungen nicht gerecht. Das Zusammenspiel zwischen Wunsch, Verwirklichung und Möglichkeiten ist oft komplexer als man denkt. Der eigene, innere Druck, die eigene Zufriedenheit contra die äußere Erwartungshaltung und Vorbildern.

Eine gute Freundin meinte neulich: „Seit ich Dinge akzeptieren kann, geht es mir besser.“ Sie sei vor Prüfungen manchmal sogar so wenig nervös, dass sie sich ernsthaft daran erinnern müsste, mehr Spannung im Körper aufzubauen. Grundsätzlich bin ich auch der Meinung, Stressfaktoren wie das Handy (=ständige Erreichbarkeit) am Abend oder auch mal am Wochenende auszuschalten, öfter mal auf den eigenen Körper und eigenen Geist hören. Die Sonne genießen und einen Mittagsschlaf einschieben. Hund sollte man sein.


An und für sich ist der Vorschlag meiner Freundin ein sehr guter Rat. Aber ich habe Angst, dass ich dadurch meinen Erwartungen ans und Forderungen vom Leben (meine hohen Ansprüche, wie es manche nennen würden) gar nicht mehr gerecht werde, bzw. mich stoppe, bevor ich nicht das erreicht habe, was ich erreichen könnte. Und da man das subjektiv sowieso etwas schwer einschätzen kann, ziehe ich eine Figur aus der Literaturgeschichte als Beispiel heran, über deren Leben und Leiden ich erst vor wenigen Tagen gelesen habe.

Von Zelda Fitzgerald (1900-1948) handelt das Buch „Z: A Novel of Zelda Fitzgerald“ von Therese Anne Fowler. „Z“ legt nahe, dass Zelda’s nervliche und psychische Zusammenbrüche auf das Konto ihres Mannes, den berühmten Schriftsteller der 1920er Jahre F. Scott Fitzgerald gehen, weil er sie daran massiv gehindert hat, sich in irgendetwas außer den Labels „Mutter“ und „devoted wife“ zu verwirklichen. Alle ihre Träume wurden mehr oder weniger zerschlagen und, im Grunde, als „Psychose“ verbrämt. Weder eine professionelle Ballett-Karriere, noch ein Leben als anerkannte Schriftstellerin ließ er zu.


All das ist aber heute in greifbarer Nähe, Frauen müssen sich schon eine Weile nicht mehr rechtfertigen, wenn sie eine Karriere anstreben. Aber wer die Wahl hat, erfährt auch die Qual der Wahl. In was und vor allem wie verwirkliche ich mich selbst, ohne es gleichzeitig allen Recht machen zu wollen? Vor allem Geisteswissenschaftlerinnen haben es schwer: wir haben (zum Glück/leider) keine festgelegte Berufsbezeichnung, wir stückeln uns unsere E-Mail Signaturen aus unseren Ideen darüber was wir sind und was wir arbeiten zusammen und ändern sie kontinuierlich ab. Writer drückt im englischen beispielsweise etwas besser aus, als was ich mich derzeit (zum Teil) empfinde. Schriftstellerin oder Autorin im deutschen klingt einfach sehr schwerfällig, in Stein gemeißelt. Aber das ist ja auch nicht schlimm – nur eben eine weitere Entscheidung, die man fällen muss.

Wer die spannende und augenscheinlich zu Diskussionen anregende Serie der Zeit verfolgen will, hier geht’s lang.

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